Nach Aussage des Klinikums München haben viele Kinder mit Problemen im Lesen und Schreiben auch erhebliche Schwierigkeiten im Fach Englisch oder in den anderen Fremdsprachen. Die Fremdsprachenlegasthenie äußert sich mit ähnlichen Fehlern wie sie auch bei "normalen" Lernern auftreten, jedoch massiver und beständiger.
Für betroffene Kinder ist häufig der Unterschied zwischen Aussprache und Schreibweise eine große Hürde. Mühsam müssen gehörte Worte in einzelne Laute zerlegt werden, dann lautierend mitgesprochen und zuguterletzt wieder anders ausgesprochen werden. Für Kinder mit Problemen in der visuellen und auditiven Wahrnehmung ist dies oft in den ersten Lernjahren eine nicht zu bewältigende Herausforderung.
Die Bedeutung ähnlich klingender Wörter wird zwar gelernt, aber ständig wieder verwechselt.
Meist können keine typischen Buchstabenfolgen in der Fremdsprache erkannt werden bzw. es gelingt auch nicht, sie zu speichern.
Die Sprache wird selten mündlich oder schriftlich selbstständig angewendet und das Kind ist mit dem selbstständigen Lernen überfordert. Die mangelnde Freude am Lernen bremst aufgrund häufiger Misserfolgserlebnisse die anfänglich vorhandene Motivation, eine neue Sprache lernen zu wollen. Frustrationen bei den Hausaufgaben können ebenfalls zu einer familiären Belastung beitragen.
Es gilt, sich so viele Hilfsmittel wie möglich zu suchen, die das Erlernen einer Fremdsprache erleichtern. Im Unterricht und für das häusliche Üben eignen sich u.a. folgende Maßnahmen:
- Der Unterricht sollte nach einer klaren Struktur verlaufen. Die Grammatik sollte auf Deutsch erklärt werden.
- Ein Unterricht, der nur in der Fremdsprache abgehalten wird, überfordert legasthene Kinder – zumindest zu Beginn des Fremdsprachenerwerbs.
- Wenn beim Englischlernen mit einem Lehrbuch gearbeitet wird, sollte geprüft werden, ob dies den legasthenen Fremdsprachenlerner optisch nicht überfordert. Was schön aussieht, bunt und abwechslungsreich gestaltet ist, verwirrt Legastheniker oft zusehends.
- Vergrößerungen der zu bearbeiteten Übungen erleichtern dem Betroffenen die Bearbeitung.
- Ein hoher Sprech- und Sprachanteil hilft den legasthenen Lernern beim Einstieg in die Sprache, bevor sie mit den Schreibweisen konfrontiert werden.
- Legastheniker sollten das Wortbild anhand von klaren Regeln dargelegt bekommen.
- Auch bei Anwendung des Legasthenie-Erlasses müssen Vokabeln gelernt werden. Anstrengungen diesbezüglich sollen nicht mit „Hinweis“ auf eine Legasthenie von vornherein aufgegeben werden.
- Podcasts und Filme in den Fremdsprachen können für das häusliche Lernen eingesetzt werden.
- Möglichst viele Sprachanregungen schaffen.
- Auslandsaufenthalte und Sprachreisen motivieren zum Sprechen.
- Die Grammatik sollte intensiv geübt werden – Strukturen der Sprache sollten dabei evtl. auch mit Einsatz von Farben deutlich gemacht werden. Es empfiehlt sich, nicht zu viele verschiedene Themen miteinander zu mischen.
Wir fördern nach gesicherten Erkenntnissen einer wirkungsvollen Legasthenietherapie. Durch den Einsatz verhaltenstherapeutischer Methoden werden unsere Kinder motiviert, sich mit ihren Schwächen auseinanderzusetzen. Die Verbesserung der Lese- und Rechtschreibleistung sowie der Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins stehen hier im Vordergrund. Schwerpunkte sind:
- Lautdiskrimination (Lautierung, Segmentierung, Analyse und Synthese von Wörtern)
- Lauttreue und Verschriftung (Einüben der Phonem-Graphem-Zuordnungen in der Fremdsprache, Strukturierung ähnlich klingender Laute)
- Vokabeltraining Verbesserung der mündlichen und schriftlichen Kommunikation
- Wortformen und Ableitungen, Flexions- und Modalformen (Wort-Grammatik, insbes. für die Fremdsprache)
- Satzaufbau und Analyse der Satzstruktur (Satz-Grammatik)
- Konversation und Hörtraining zur Verbesserung der mündlichen Leistungen und zur Motivation
Ein bloßes Vokal- und Rechtschreibtraining genügt meist nicht, die Fremdsprachenlegasthenie zu beseitigen. Vielfach muss die visuelle und auditive Wahrnehmung anhand des Wortmaterials geschult werden. Genaues Hinhören, Hinsehen und lautes Vorlesen sind unverzichtbare Bestandteile innerhalb der Therapie. Betroffene Schüler haben vor der Aufnahme einer Therapie durch viele Misserfolgserlebnisse die Freude am Lernen verloren. Kleinschrittiges Vorgehen und eine gründliche Systematisierung der Lerninhalte helfen Legasthenikern, den Lernstoff kognitiv zu verarbeiten. Legastheniker benötigen häufige Wiederholungen, bis das Wissen im Langzeitgedächtnis verankert ist. Auch aktueller Lernstoff sollte innerhalb der Therapie eingebettet werden. Kleine Erfolge motivieren die Kinder häufig, sich vermehrt mit der Fremdsprache zu beschäftigen. Die Therapie enthält demnach auch verhaltenstherapeutisch orientierte Elemente. Sie unterscheidet sich von einer normalen Nachhilfe auch durch ein strukturiertes Vorgehen und der vermittelten Erklärungsansätze.
Vor der Aufnahme einer Therapie wird in einem Erstgespräch die individuelle Ausgangslage (mündlich und schriftlich) anhand informeller Tests ermittelt. Entsprechend dieser Testergebnisse wird das Kind einzeln oder in einer kleinen Gruppe von erfahrenen Legastheniepädagoginnen therapiert.
Bettina Kinn | Institutsleitung, Diplom-Sozialpädagogin, Kunst- und Gestaltungstherapeutin |
Dr. Christiane Wilke | Lehramt Gymnasium, Historikerin, freie Autorin und Lektorin |
Bettina Werner | Diplom-Psychologin (zweisprachig – Deutsch/Französisch) |